Die ehemalige Swissair-Sprecherin Beatrice Tschanz (76) ist auch im Ruhestand sehr aktiv. Unter anderem engagiert sie sich für altersgerechte Wohnformen. Damit alte Menschen so lange wie möglich selbstbestimmt leben können.
Frau Tschanz, wie stellen Sie sich ein selbstbestimmtes Leben im Alter vor?
Wer das Glück hat, gesund zu sein, für den ist ein selbstbestimmtes Alter selbstverständlich. Auch ich zähle zu den Privilegierten, die keinerlei gesundheitliche Einschränkungen kennt und so kann ich mein Leben eigenständig leben, meine Zeit selber einteilen, meine Freunde treffen wann und wo ich will – und vor allem die Zweisamkeit mit meinem Mann geniessen. Wir können verreisen, wann wir wollen, wir haben einen hohen Grad von Spielraum und Freiheit und das kann man nicht genug schätzen und dafür dankbar sein. Allerdings muss man auch bereit sein, viel Selbstverantwortung und Eigeninitiative zu übernehmen; man kann weder Arbeit noch Aufgaben delegieren.
Tun Sie etwas dafür, um möglichst lange eigenständig zu bleiben? Ich versuche in Form zu bleiben, gehe laufen, ins Training, schwimme so oft wie möglich, gebe den Tagen eine Struktur, bleibe neugierig und interessiert. Ich lese viel und will noch jeden Tag etwas lernen. Zudem habe ich mir eine gewisse Disziplin angeeignet – ich geniesse alles, aber mit Augenmass, von der Zigarette bis zum Glas Rotwein.
Sie engagieren sich als VR-Präsidentin der Oase Holding für neue Alterswohnformen. Was ist Ihr Antrieb? Das Konzept von bezahlbaren Wohnungen mit Betreuung nach Mass hat mich überzeugt! Heute will niemand mehr «ins Heim», sondern man möchte so lange wie möglich selbstbestimmt leben und nur jene Unterstützung bekommen (und bezahlen), die man braucht. Der Respekt vor der Würde, dem Willen und den Wünschen von älteren Menschen steht in allen Oasen an erster Stelle und damit ist diese junge Firma erfolgreich gewachsen.
Wir betreiben heute acht Oasen (drei weitere sind im Bau oder kurz vor Baubeginn) und wir haben ausschliesslich Schweizer Aktionäre, es sind wenige und alle stehen engagiert hinter unserem Konzept. Ich kann mir gut vorstellen, dass ich einmal selber in einer Oase wohnen werde, wenn die Kräfte nachlassen, wenn es zu Beeinträchtigungen kommen sollte oder ich an Demenz erkranke.
Also in ein Alters- oder Pflegeheim zu ziehen, kommt für Sie nicht infrage. Es wäre arrogant zu sagen: nie! Denn auch die Alters- und Pflegeheime haben sich verändert und geben sich grosse Mühe, mehr als früher auf Bewohnerinnen und Bewohner einzugehen. Doch es bleibt noch viel zu tun.
Wie stellen Sie sich denn ein selbstbestimmtes Leben vor, wenn man Unterstützung braucht? Auch wer körperlich oder geistig nicht mehr in der Lage ist, selbstständig zu leben, möchte möglichst vieles selbst bestimmen: aufstehen, wann ich will, essen, wann ich mag, entscheiden wie ich den Tag verbringe. Wunsch und Wille auch von sehr eingeschränkten Menschen muss berücksichtigt und respektiert werden! Das gibt dem selbstbestimmten Leben im Alter den wahren Sinn!
Hat sich Ihrer Meinung nach der Umgang mit den alten Menschen in der Gesellschaft gewandelt? Da sehe ich sehr viel Positives. Weil es immer mehr alte Menschen gibt, werden sie besser wahrgenommen und viele junge Menschen zeigen Empathie und Rücksicht. Es ist aber immer zweiseitig: auch die alten Menschen müssen den Jüngeren offen und verständnisvoll begegnen, sonst kann man kein gegenseitiges Verstehen verlangen.
Sie selbst gehören zur Generation der nächsten Alten. Was braucht diese? Sie brauchen Bewusstsein! Bewusstsein dafür, dass sich sehr schnell sehr viel ändern kann und dass man gut daran tut, sich nicht erst mit 80 zu überlegen, wie man die letzte Phase des Lebens verbringen möchte.