Interview mit dem neuen Verwaltungsratsmitglied Dr. Thomas Heiniger
11. Juni 2019 / Oase Wetzikon / Oase am Rhein / Oase Effretikon / Oase Gruppe / Oase Oetwil am See / Oase Rümlang
Dr. Thomas Heiniger (62) hat als FDP-Regierungsrat und Gesundheitsdirektor die Zürcher Gesundheitspolitik in den letzten zwölf Jahren geprägt, Strukturen optimiert, die Effizienz gesteigert. Als Direktor der Gesundheitsdirektorenkonferenz GDK beeinflusste er auch auf nationaler Ebene die Entwicklungen im Schweizer Gesundheitswesen. Nach seinem Rücktritt aus der aktiven Politik setzt sich der passionierte Marathonläufer unter anderem neu als Präsident der Spitex Schweiz und des Schweizerischen Roten Kreuzes weiter für das Gesundheitswesen ein. Und: Thomas Heiniger ist neu auch Verwaltungsratsmitglied der OASE Holding.
OASE: Was hat Sie dazu bewogen, Ihre Erfahrung auch im Verwaltungsrat der OASE Holding einzubringen?
Thomas Heiniger: «Ich habe mir nach meinem Rücktritt aus der aktiven Politik erlaubt, etwas <Rosinenpickerei> zu betreiben. Meine Intention war, fünf Mandate im Gesundheitsbereich zu finden, bei denen ich Erfahrung einbringen und Interesse aufbringen kann. Das Wohnen und damit verbunden die Lebensqualität im Alter wird aus verschiedenen Gründen ein immer bedeutenderes Thema. Das OASE-Konzept hat mich überzeugt und ich unterstütze daher den Verwaltungsrat mit Freude.»
«Für immer mehr Menschen wird das Wohnen in einer teuren Stadt wie Zürich unerschwinglich. Sie ziehen gezwungenermassen an den Stadtrand oder in die Peripherie. Die Stadt Zürich wird gemäss der Studie über Wohnbedürfnisse und Wohnmobilität des Amts für Raumentwicklung immer jünger. Hat hier die Politik die Weichen falsch gestellt?»
Thomas Heiniger: «Das muss nicht so sein. Auch in der Stadt entstehen neue Zentren, wo Durchmischung stattfindet. Durchmischung des Wohnens und des Lebens muss das Ziel bleiben der Behörden, aber auch der Menschen. Wenn ich älter bin, dann schätze ich doch die Nähe von Einkaufsmöglichkeiten und die nahe Bus- oder Tramstation, das reichhaltige Angebot an Kultur und Genuss.»
«Aber wie bezahlt das ein Mensch mit einer durchschnittlichen Rente bei immer geringeren Umwandlungssätzen in einem Nullzinsumfeld? Für einen Rentner ist doch das Leben in der Stadt Zürich gar nicht mehr bezahlbar?»
Thomas Heiniger: «Das ist auch eine Frage der Ansprüche. Wie viele Quadratmeter brauche ich zum Wohnen? Muss es denn noch dieselbe Wohnung sein, in der die Kinder aufgewachsen sind, oder würde auch eine kleinere Wohnung reichen? Abgesehen davon ist die Bezahlbarkeit des Wohnens eine Frage, die auch die jüngeren Generationen betrifft. Ich bin der Überzeugung, dass gerade die Stadt Zürich Anstrengungen unternimmt und sich bemüht, das Wohnen in der Stadt für alle Generationen finanziell tragbar zu entwickeln und auch Areale schafft, die für das durchmischte Wohnen geeignet sind.»
«Im Alter nimmt die Wahrscheinlichkeit für chronische Erkrankungen, für Pflegebedürftigkeit zu. Die Ausgaben für Langzeitpflege sind inzwischen höher als die für ambulante Behandlungen im Spital, werden 2020 über 18 Mrd. Franken ausmachen und steigen im Vergleich zur Gesamtentwicklung überproportional. Wie gehen wir mit dieser Herausforderung um?
Thomas Heiniger: «Wir müssen im Zusammenhang mit dem Wohnen im Alter auch den Begriff <die eigenen vier Wände> überdenken. Meine demente Mutter ist 94 Jahre alt und lebt in einer Pflegewohngruppe. Sie sagt mir immer wieder, dass sie nach Hause möchte. Dabei ist die Pflegewohngruppe ihr Zuhause, denn hier wird sie auch optimal umsorgt. Wir wollen alle möglichst lange daheimbleiben und möchten auch am liebsten daheim sterben. «Daheim» und mein Zuhause sollte stets die zweckmässige soziale Umgebung sein, in der ich optimal leben kann, mich wohl fühle. Und das ändert sich. Mit 75 ist das bestimmt nicht derselbe Ort wie mit 40, wenn die Kinder noch im Hause sind. Die Übergänge sind fliessend. Wohnen ist meiner Meinung nach vergleichbar mit einem Baukastensystem. Es braucht Wohn- und Betreuungsformen und die entsprechenden Strukturen, die einen fliessenden Übergang ermöglichen und sich meinen Bedürfnissen anpassen. Möglichst viele Freiheiten und eine möglichst optimierte Versorgung – so stelle ich mir die Zukunft vor.»
Sie waren bis vor kurzem auch Präsident der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren GDK und haben entsprechend unsere föderalistische Struktur mit 26 Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren vertreten in einem Land das ohne die unbewohnbaren Flächen kleiner ist als das deutsche Bundesland Baden-Würtemberg und drei Millionen weniger Einwohner hat. Wie lange können wir uns diese föderalistische Struktur noch leisten? Da schlummern doch Milliarden an Einsparpotenzial, Geld das unter anderem auch für die Optimierung der steigenden Pflegekosten aufgrund der Alterung unserer Gesellschaft verwendet werden könnte.
Thomas Heiniger: «Ich bin nicht überzeugt, dass sechs Gesundheitsregionen zwingend besser wären als unsere heutige kantonal ausgerichtete Struktur. Es müssen die Grenzen überwunden werden. Und dazu braucht es verantwortungsvolle, kompetente Entscheidträger. Und häufig will es der Bürger anders als die Politik, zum Beispiel beim Spital Affoltern: die Politik wollte das Spital schliessen, die Bürger wehren sich dagegen, wollen ein Spital vor der Haustür, obwohl es nicht wirklich notwendig ist. Dagegen hilft meiner Meinung nach Transparenz. Wir müssen uns bewusst sein, was das kostet an Prämien und an Steuern. Hier muss Aufklärungsarbeit geleistet werden. Wir müssen Transparenz und Gesundheitskompetenz des Einzelnen fördern, damit der Bürger auch den Nutzen und den Wert, aber auch die Kosten einer Leistung besser beurteilen kann.»
Zurück zur OASE. Warum braucht es Ihrer Meinung nach eine solche Organisation?
Thomas Heiniger: «OASE bietet eine fliessende Form des Wohnens und der Betreuung im Alter, die auf unsere Bedürfnisse eingeht. Das Konzept der OASE entspricht genau dem Baukastensystem, das für mich den optimalen Rahmen für das Wohnen im Alter schafft.»
Funktioniert das OASE-Konzept nur auf dem Land oder auch in der Stadt?
Thomas Heiniger: «Grundsätzlich kann jede Gemeinde eine solche Oase schaffen, also eine Struktur mit durchmischtem Wohnen bis hin zu Pflegeeinrichtungen im selben Areal. Eine grosse Stadt wie Zürich kann das auch. Für kleinere Gemeinden ist es aber unter Umständen zweckmässiger, wenn sie diese Aufgabe an einen privaten Anbieter auslagern und mit entsprechenden Leistungsverträgen auch die Qualität sicherstellen. Letztlich dürfte das dann auch besser kalkulierbar sein. Und solche Lösungen fördern auch die Zusammenarbeit unter den Gemeinden, denn es sind oft mehrere Gemeinden, die sich für ein solches Projekt zusammenschliessen. So können die Gemeinden auch in diesem Bereich ihre Versorgungsverantwortung dank OASE optimal wahrnehmen.»
Worin sehen Sie die grösste Herausforderung für die OASE?
Thomas Heiniger: «Die kenne ich heute noch nicht. Aber ich stelle fest, dass gerade im Kanton Zürich wegen der fehlenden Pflegeheimplanung private Anbieter oft als Konkurrenten wahrgenommen werden und nicht als Versorgungspartner. OASE ist privater Partner der öffentlichen Hand. Die Aufgabe kann von beiden gemeinsam getragen werden. Ich bin überzeugt, dass das OASE-Konzept dafür die Voraussetzungen bietet.»
Mit Dr. Thomas Heiniger sprach Max Winiger.

«Es braucht Wohn- und Betreuungsformen und die entsprechenden Strukturen, die einen fliessenden Übergang ermöglichen und sich meinen Bedürfnissen anpassen.»

«Wie viele Quadratmeter brauche ich zum Wohnen? Muss es denn noch dieselbe Wohnung sein, in der die Kinder aufgewachsen sind, oder würde auch eine kleinere Wohnung reichen?»

Thomas Heiniger ist seit Mai 2019 Verwaltungsratsmitglied der OASE Holding.

Dr. Thomas Heiniger hat als FDP-Regierungsrat und Gesundheitsdirektor die Zürcher Gesundheitspolitik in den letzten zwölf Jahren geprägt.